Im September/Oktober wollte ich 5-6 Wochen Bosnien-Herzegowina und Montenegro bereisen. Leider sollte ein Bandscheibenvorfall im August meine Reisepläne ein wenig ändern. So blieben mir am Ende nur zweieinhalb Wochen Zeit um eine Idee von diesen beiden Balkanländern zu bekommen. Vor allem Montenegro kam dabei wirklich zu kurz, aber immerhin ein Grund wieder zu kommen.
Die günstigen Flüge nach Tuzla im Nordosten von Bosnien und Herzegowina bewogen mich in dieser Industriestadt meine Reise zu beginnen. Außer meiner ersten Nacht und einem Nachmittag vor meinem Rückflug sollte ich nicht wirklich etwas von der Stadt mitbekommen.
Mein erstes Ziel sollte Mostar im Süden des Landes sein.
Die Neretva fließt mitten durch die Stadt und das bekannteste Bauwerk: Die Alte Brücke verbindet die verschiedenen Stadtteile. Der Ostteil der Stadt ist mehr muslimisch und der Westteil katholisch geprägt. Die berühmte Brücke Stari Most (Alte Brücke) gilt seit Jahrhunderten als symbolische Brücke zwischen Ost und West, zwischen Islam und Christentum. Im Bosnienkrieg in den 90er Jahren wurde sie zerstört und später wieder aufgebaut. Aufgrund ihrer Architektur und der großen Symbolkraft wurde die Brücke 2005 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Die Altstadt von Mostar mit seiner Stari Most fasziniert mich sofort. Gepflasterte, schmale Gassen führen mich zu der im 16 Jahrhundert erbauten Steinbogenbrücke.
Der Blick von der Brücke auf die schöne Altstadt mit ihren Moscheen, dem Fluss und den nahen Bergen ist herrlich. Die Altstadt ist voller kleiner Shops und Unmengen von Menschen zwängen sich tagsüber durch die kleinen Gassen und über die Brücke. Am Abend kann man dafür die Ruhe genießen, sobald die Tagesausflügler Mostar wieder verlassen haben.
Die Koski-Mehmed-Pasha-Moschee am Fluss ist einen Besuch wert. Ein schöner Innenhof begrüßt die Besucher. Hier besteht die Möglichkeit die Moschee zu besichtigen und das hohe Minarett über eine schmale Treppe zu erklimmen. Eine herrliche Aussicht auf die Stadt und deren Umgebung ist die Belohnung.
Eine Tradition unter den jungen Männern der Stadt ist das Brückenspringen. Sie springen von der 20 Meter hohen Brücke in den kalten Fluss. Heute ist es wohl eher eine Touristenattraktion und sobald genug Geld von den Touristen eingesammelt wurde, wird gesprungen.
Das Natur-Highlight meines Bosnienbesuches waren die Kravica-Wasserfälle im Süden des Landes. Schon von der Ferne hört und sieht man das beeindruckende Naturpanorama. Tosendes Rauschen inmitten eines satten Grüns. Das Wasser bahnt sich seinen Weg durch dichten weiten Wald. Die vielen Wasserfälle an einem 120 Meter breiten bewaldeten Hang stürzen 26-28 Meter in die Tiefe. Hier bilden sie einen schönen See, der zum Baden einlädt. Die Wassertemperatur ist zwar gewöhnungsbedürftig, wahrscheinlich höchstens 15 Grad, aber die Hitze an einem Sommertag lässt dies schnell vergessen. Für Naturliebhaber ist dieses Naturschutzgebiet ein Muss. Die üppige Pflanzenwelt und der grüne Wald laden zum Wandern ein oder man entspannt einfach am kristallklaren See. Selbst Schlangen fühlen sich hier wohl.
In Mostar lernte ich ein paar neue Freunde kennen und wir beschlossen ein paar Tage zusammen zu reisen. Wir waren eine schräge Gruppe mit Zora aus Taiwan, Nizar aus Singapur, einem Franzosen und mir. In Mostar hatten wir viel Spaß, wir fuhren zu den Kravica-Wasserfällen und verbrachten anschließend ein paar gemeinsame Tage in Sarajevo. Mit Zora, der verrückten Taiwanerin, reiste ich später weiter nach Montenegro.
In Sarajevo kann man viel Geschichte erleben und gleichzeitig ist es eine dynamische, moderne Stadt. Toleranz wird hier groß geschrieben, die Stadt vereint östliche und westliche Werte auf eine eindrucksvolle Weise. Sie ist eine schöne von Bergen umgebene Stadt und hat viel für die Besucher zu bieten.
Verschiedenste Architektur prägt die Stadt. War man gerade noch im schönen alten Basarviertel mit seinen Moscheen, kleinen Läden und Cafés und fühlt sich ein wenig wie im Orient, steht man wenig später in Straßen mit Gründerzeitbauten. Nicht viel weiter und schon begegnen einem Bauwerke aus der sozialistischen Ära. Sarajevo ist eine Stadt in der die verschiedensten Kulturen und Religionen nebeneinander existieren. So prägen prächtige historische Moscheen und Kirchengebäude gleichzeitig die Innenstadt.Kaffee-Kultur ist in der Stadt groß geschrieben. Überall finden sich große und kleine Kaffeehäuser und das Kaffeetrinken wird regelrecht zelebriert.
Die Küche Bosnien-Herzegowinas ist deftig und nicht unbedingt der Traum der Vegetarier.
Bosnien und Herzegowina erklärten 1992 ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien worauf ein Bürgerkrieg im Land ausbricht. Der Bosnische Bürgerkrieg tobte bis 1995 und sollte der schlimmste Krieg auf europäischen Boden seit Ende des 2. Weltkrieges werden. Etwa 100000 Menschen sollten in dieser Zeit ihr Leben verlieren.
Bis heute ist Bosnien-Herzegowina daher eines der am stärksten verminten Gebiete Europas. Beim Verlassen befestigter Wege besteht in vielen Gegenden Gefahr durch Landminen.
An den Bosnienkrieg und die Belagerung der Stadt während des Krieges erinnern zum Beispiel: der Sarajevo-Tunnel, die „Rosen von Sarajevo“ und die noch zahlreich vorhandenen Zerstörungen und Einschusslöcher an den Gebäuden Sarajevos.
Ein interessanter Ort ist das kleine Tunnelmuseum. Es befindet sich außerhalb der Stadt in der Nähe des Flughafens. Der Tunnel wurde 1993 während der Belagerung der Stadt gebaut. Er war der einzige Weg aus und in die Stadt, die von serbischen Nationalisten unter Dauerbeschuss von den umgebenen Bergen aus war. Dieser Tunnel gehört zu den wichtigsten Bauwerken der jüngeren Kriegsgeschichte. Nur diesem, knapp 800 Meter langen, Gang ist zu verdanken, dass die Stadt die fast vierjährige Belagerung überstand. Ein kleiner Abschnitt des schmalen Tunnels und das Museum lohnen den Besuch.
Mit einem Nachtbus geht es dann von Sarajevo nach Montenegro. Eigentlich blieben mir nur noch ein paar Tage Zeit zum Reisen und ich wollte meinen Montenegro-Besuch streichen. Das Wetter wurde mir aber zu schlecht in Sarajevo und Umgebung. Es regnete tagelang in Strömen und Zora wollte sowieso in diese Richtung. So landen wir früh am Morgen in Kotor.
Die Stadt mit ihren bedeutenden kulturhistorischen Bauwerken und ihrer traumhaften Lage ist seit 1979 UNESCO-Weltkultur- und Naturerbe. Die atemberaubende Bucht von Kotor wird auch als südlichster Fjord Europas bezeichnet, ist es aber im eigentlichen Sinne nicht.
Die knapp 30 Kilometer lange traumhafte Bucht im Süden des Landes liegt an der Adriaküste und wird von steilen Berghängen gesäumt. Zu der landschaftlichen Schönheit der Bucht gesellt sich das ebenso herrliche Mittelalterstädtchen. Eine vier Kilometer lange Festungsmauer umschließt den historischen Altstadtkern.
Kotors Altstadt mit seiner Verteidigungsmauer, die sich dem Berghang hochzieht, fasziniert mich sofort. Unzählige Völker besiedelten bereits die Stadt und haben ihre Spuren hier hinterlassen. Dieser bunte kulturelle Mix ist in dem malerischen Straßenlabyrinth zu erkennen.
Es ist früh am Morgen und die Stadt erwacht erst langsam aus dem Schlaf. Beim Eintritt durch eines der Tore sind wir in einer anderen Welt angekommen. Wir lassen uns durch die engen verwinkelten Gassen treiben. Die hübschen Plätze haben wir noch für uns allein. Orthodoxe Kirchen, katholische Kathedralen, Paläste und Zitadellen sind Zeugen der Vergangenheit.
Nur ein paar Stunden später wird die Altstadt geflutet von Menschenmassen und ist nicht wieder zu erkennen. Viele große Adria-Kreuzfahrtschiffe legen in der Bucht von Kotor an und dann strömen tausende Menschen über das Kopfsteinpflaster durch die engen Gassen.
Ein Wanderweg führt nahe der Festungsmauern auf die Bergkette über der Stadt. Der Anstieg auf kleinen Pfaden bringt uns mächtig ins Schwitzen. Wir überwinden viele Höhenmeter auf dem Weg nach oben und viele Wege führen hier weiter in die Berge.
Ziegen leisten uns Gesellschaft auf dem Gipfel mit seinem fantastischen Blick über die herrliche Bucht von Kotor. Das blau-grün schimmernde Wasser eingerahmt von den Bergen mit den steil abfallenden Felshängen und den kleinen Dörfern zu Füßen ist so stimmig. Einfach ein wunderschöner Ort.
Wir entdecken auf dem Rückweg ein kleines Restaurant mit toller Aussicht auf die Bucht und lassen uns bis zum Abend nieder. So können wir die Aussicht bis zur Dunkelheit genießen. Dank lokaler geistiger Getränke wird der Weg nach unten leider nicht einfacher.
Am nächsten Tag erwandern wir ein wenig die Bucht und entdecken nette kleine Ortschaften, finden eine schöne Badestelle und gute deftige lokale Küche.Irgendwann muss ich mich dann von Zora verabschieden, da ich zurück nach Berlin über Bosnien und Herzegowina reisen muss. Wir haben uns aber für den Winter in Taiwan verabredet und ich freue mich schon darauf.