Nach fast zwei Monaten des Reisens auf Papua zog es mich nach Sulawesi. Ich hatte einen günstigen Flug nach Makassar bekommen. Dazu hatte ich ein Flug-Ticket für Mitte März nach Kuala Lumpur schon in der Tasche. Mein eigentlicher Plan war von dort nach Taiwan zu fliegen.

Aber der Corona-Wahnsinn sollte alles ändern. Meine taiwanesische Freundin Zora, die ich besuchen wollte, riet mir von einem Besuch ab. Das Land war zwar offen für Touristen aber das Reisen war nur eingeschränkt möglich.

Zora hatte ich letzten Herbst in Bosnien kennengelernt und wir hatten viel Spaß beim Reisen. Sie wollte mir Taiwan zeigen aber aufgrund der dort schon seit Januar existierenden Vorsichtsmaßnahmen im Land verschieben wir dies auf das nächste Jahr.

Mein Visum sollte in ein paar Tagen auslaufen und da war Makassar eine gute Adresse zur Verlängerung. Rina, die Managerin meines Hotels hatte mir schon früher angeboten bei einer Visaverlängerung zu helfen.

Man benötigt nach zwei Monaten im Land einen Sponsor, der die Verlängerung auf dem Immigration-Office beantragt. So wurde ich mit Rina schnell einig über die Kosten und übergab ihr meinen Pass. Somit war klar ich bleibe länger in Indonesien.

Ich wollte in der Zwischenzeit, bis meine Visum-Verlängerung fertig ist, Freunde auf den Banggai-Inseln besuchen.

Nach einem kurzen Treffen mit Freunden in Makassar bestieg ich ein großes Pelni-Schiff nach Banggai.

Einen Tag und zwei Nächte dauerte die Fahrt und sie sollte anstrengend werden. Ich hatte zwar am Vortag ein Ticket bekommen aber ohne einen festen Schlafplatz. Diese waren schon ausverkauft. So irrte ich eine Weile am späten Abend durch die verschiedenen Schlafsäle der Economy-Class bis ich ein freies Bett fand. Leider sollte sich das am nächsten Tag wiederholen. Nach dem einzigen Zwischenstopp in Bau-Bau stiegen so viele Menschen ein, dass mein erkämpftes Bett natürlich reserviert war. Ich fand relativ schnell einen neuen Platz aber…

Einige der neu zugestiegenen Passagiere waren krank. Es wurde pausenlos um mich herum gehustet und ein paar Menschen schienen auch Fieber zu haben. Ja offiziell gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Corona-Fälle in Indonesien aber ich war mir sicher: Corona ist an Bord. Die Einheimischen waren noch eher schlecht informiert und hatten keinen Plan. Ich hatte einfach schon zu viel darüber gelesen und war vorsichtig.

Daraufhin verbrachte ich die zweite Nacht bis nach Banggai in der Cafeteria auf dem obersten Deck. Hier verbringe ich sowieso viel Zeit auf meinen Fahrten mit Pelni, da frische Luft, gute Sicht und viele Gespräche vorhanden. Leider war das Wetter in der zweiten Nacht beschissen-es regnete in Strömen.

Am nächsten Morgen erreichten wir den Hafen von Banggai. Dicke Regenwolken hingen über der Stadt und ein hässliches Grau empfing mich. Unzählige Menschen bewegten sich im strömenden Regen nach draußen und ich war schon nass bevor ich überhaupt Boden unter den Füßen hatte. Ich wollte so schnell es ging ins Trockene aber…

Ja dann stehen die Mitarbeiter des lokalen Gesundheitsamtes im Hafen und sind nur auf mich, den einzigen Ausländer, fixiert. Hunderte Passagiere verlassen das Schiff und man lässt sie passieren. Ich aber darf erst mal nicht weiter gehen.

Nach kurzer heftiger Diskussion, ich bin immerhin schon zwei Monate im Land, gehe ich zur nächstgelegenen Hütte um wenigstens im Trockenen zu stehen. Die nicht gerade intelligenten Behördenmitarbeiter rennen mir hinterher.

Hier wird mir Fieber gemessen und es werden alle möglichen Papiere ausgefüllt. Keiner der Menschen spricht Englisch und auch die ganzen Papiere sind nur in indonesischer Sprache. Wie wollen sie ihre Arbeit erledigen wenn ich nicht ihrer Sprache mächtig wäre? Auf den Hinweis das hier gerade kranke Menschen ausgestiegen sind und nicht kontrolliert wurden, lachen sie nur. Ich diskutiere noch eine Weile mit ihnen und versuche zu erklären, dass die Krankheit ja nicht von der Hautfarbe bzw. Nationalität abhängt aber ohne irgendetwas zu bewirken. Am Ende bekomme ich eine Art Gesundheitspass mit jeder Menge falscher Einträge, nicht mal richtig Lesen und Schreiben scheinen sie zu beherrschen. Ich schüttele nur mit dem Kopf und verlasse das Hafengelände.

In einem kleinen Restaurant trinke ich Kaffee und versuche Ewigkeiten meinen Freund Iten zu erreichen. Es ist früh am Morgen und er scheint zu schlafen. Der hat am gestrigen Tag wieder zu tief ins Glas geschaut und geht erst nach ca. zehn Anrufen an sein Telefon. Immerhin steht er dann zehn Minuten später vor mir. Große Freude.

Wir fahren zu seinem Zweithaus in einem kleinen Dorf ein paar Kilometer von Banggai-Stadt entfernt. Das wird mein Haus für die nächsten Tage-fantastisch. Dazu bekomme ich ein Moped zur Fortbewegung auf der Insel. Gute Freunde muss man haben. Er zeigt mir kurz alles Wichtige im Haus und fährt zurück in die Stadt zu seiner Familie.

Ich richte mich in „meinem“ neuen Haus ein und erkunde die Umgebung. Dabei lerne ich gleich meine Nachbarn der nächsten Tage kennen. Diese schauen regelmäßig vorbei und fragen mir Löcher in den Bauch. In ihrem Dorf hat noch nie ein Fremder gewohnt und dementsprechend interessiert sind sie.

Mein Freund betreibt in Banggai in der Nähe des Hafens einen kleinen Kiosk. Früher war das eine winzige Bude aus der er Cap Tikus, lokal gebrannter Schnaps, verkauft hat.

Mittlerweile ist die Hütte größer geworden und dementsprechend auch das Angebot. Natürlich ist der Schnapsverkauf sein größtes Geschäft und am Abend kommt die halbe Insel um die in Plastiktüten oder Wasserflaschen abgefüllte Spirituose zu kaufen. Außerdem treffen sich seine Trink-und Zocker-Freunde zum abendlichen Umtrunk. Ich bekomme jetzt kaltes Bier, die für Indonesien guten Schnäpse und oft grillen wir Fisch zusammen. Er hat es endlich geschafft ein paar Sitzgelegenheiten aufzustellen und so verbringe ich oft bis spät in die Nacht die Zeit mit Freunden. Die Polizei schaut auch gelegentlich vorbei und lässt sich in Form von Schnaps kaufen.

Das Corona-Virus hat mittlerweile offiziell Indonesien erreicht. Die Menschen fragen mich jetzt regelmäßig wie lange ich schon im Land bin bzw. woher ich komme. Sobald sie hören, dass ich schon zwei Monate im Land bin ist alles okay und sie sind entspannt. Sie fragen mir Löcher in den Bauch als ob ich ein Virologe bin.

Wirtschaftlich macht sich der Corona-Wahnsinn auch langsam bemerkbar. Die Exporte nach China sind eingestellt und vor allem die Fischer haben ein großes Problem. Keiner kauft mehr den Fisch und die Preise sind in den Keller gefallen.

Leider zeigt sich das Wetter nicht von seiner besten Seite. In den Tagen auf Banggai habe ich scheinbar den Regen abonniert. So erkundige ich Banggai-Island mit dem Moped wenn das Wetter es zulässt.

Schöne neue Landschaften zeigen sich mir, ich passiere abgelegene kleine Dörfer, gehe schwimmen an einsamen Stränden, entdecke schnorchelnd die Unterwasserwelt, streife über die Märkte, lerne neue Menschen kennen und besuche Freunde von früheren Reisen.

Ein seltsamer Geruch und Berge von Laub führen mich eines Nachmittages zu einer Destille in einem kleinen Dorf der Insel. Hier schaue ich den Einheimischen bei der Herstellung von Nelkenöl zu. Das Öl wird durch Wasserdampfdestillation gewonnen. Hier werden riesige Berge von Blättern des Nelkenbaumes gekocht.

Bei Regen genieße ich die Ruhe in meinem Dorf oder verlaufe mich schon am Nachmittag zum Trinker-Kiosk dieser Inselwelt.

Zwischendurch reise ich für ein paar Tage zur Insel Bangkurung im Süden des Archipels. Ich will Papa Sara und Familie im Dorf Lala besuchen. Diese Freunde und die umgebende Inselwelt sind immer einen Besuch wert.

Die Freude war groß über das Wiedersehen. Ich hatte auch ein paar Fotos meines letzten Besuches dabei und so hatten wir uns viele Geschichten zu erzählen. Dazu zauberte Mama Sara wieder die besten Seafood-Gerichte auf den Tisch.

Die zwei Töchter des Hauses hat es mittlerweile zum Studieren in die Ferne getrieben. Sie studieren in verschiedenen Städten auf Sulawesi. Nur drei bis vier Mal im Jahr kommen sie jetzt nach Hause in ihr kleines Dorf. Die Reise in die Welt von Bangkurung dauert ihre zwei bis drei Tage.

Der Zeitpunkt meines Besuches war leider schlecht gewählt. Papa Sara sollte am nächsten Morgen für ein paar Tage zu einer Beerdigungszeremonie auf eine andere Insel fahren. Eigentlich wollte ich die Insel-und Unterwasser-Welt der Gegend mit ihm unsicher machen. Immerhin organisierte er mir eine Bootstour mit einem Nachbarn.

So verbringe ich mit Mama Sara und Freunden der Familie die Tage in Lala.

Der Ausflug am nächsten Tag begann katastrophal. Am frühen Morgen wollte ich mich auf eine der vorgelagerten Inseln fahren lassen. Aber das Boot will nicht wie geplant anspringen. Es wurde wild am Motor herumgebastelt und immer wieder wurden neue Ersatzteile heran geholt. Nach gefühlten zwei Stunden Bastelei springt der Motor endlich an. Aber auf halben Weg versagt die Maschine wieder und wir schaukeln einfach so vor uns hin. Jeglicher Versuch das Boot wieder in Bewegung zu versetzen scheitert. Mittlerweile bin ich ohne im Meer gewesen zu sein schon total durchnässt. Ein Fischer mit seinem winzigen Boot passiert uns und wird überredet mich zur Insel zu fahren.

Das Umsteigen in das winzige Boot wird zu einem wilden Akt. Die Wellen, das Gleichgewicht halten und mein Gepäck-irgendwie lande ich dann mit drei Stunden Verspätung an meinem gewünschten Ziel. Jetzt heißt es hoffen, dass mein eigentlicher Bootsfahrer sein Boot wieder flott bekommt und mich am Abend abholt.

Dafür habe ich nun für viele Stunden eine Insel für mich allein. Leider muss ich dann feststellen, dass mein Essen für den Tag die Fahrt nicht überlebt hat. Alles ist sozusagen im Meerwasser ersoffen. Aber egal. Ich lasse es mir auf dem kleinen Eiland gut gehen.

Die Strände sind wunderschön und das Meer lädt zum Schwimmen ein. Dazu gibt es ein paar gute Spots zum Schnorcheln. Nebenbei lausche ich dem Konzert der verschiedensten bunten Vögel in den Bäumen. Ein schöner Flecken Natur und nur für mich. Für diesen Tag ist meine Wetter-Bestellung angekommen. Die Sonne gibt ihr bestes, der blaue Himmel strahlt mich an und dazu die herrlichen Farbtöne des Wassers.

Die Unterwasserwelt ist schön aber irgendwie hatte ich sie hier vielfältiger und gesünder in Erinnerung. Trotzdem genieße ich das Treiben unter Wasser. Es gibt zum Glück noch viel zu entdecken. Vielleicht ist die jetzige Corona-Krise und das Absatzproblem des Sea-Foods ein Glück für die Meeresbewohner.

Nach drei Tagen auf Bangkurung fahre ich zurück nach Banggai-Stadt zu meinen verrückten Trinkfreunden.

Diese letzten Tage sind wild und der Schnaps-Kiosk hat gefühlte 24 Stunden auf.

Dann kommt der Abschied und eigentlich sollte es nur ein kurzer sein. Ich hatte geplant in ein bis zwei Wochen zurück zu kommen. Da war noch nicht klar wie Corona auch das Reisen in Indonesien einschränken sollte. Nur eine Woche später sollten die Banggai-Inseln komplett von der Außenwelt abgeschnitten werden. Jeglicher Bootsverkehr mit Sulawesi und anderen Insel wurde eingestellt. Es folgte dann auch eine Art Ausgangssperre und…

Meine Freunde berichten mir später, dass ich von der Polizei und den Gesundheitsbehörden gesucht wurde. Man hatte mich, als einzigen Ausländer, im Verdacht das Virus auf die Inselwelt geschleppt zu haben.

Später stellte sich heraus, dass auf dem Boot mit dem ich auch ankam, ein paar Einheimischen Corona mitbrachten. Was hatte ich bei meiner Ankunft den blöden Mitarbeitern des Gesundheitsamtes gesagt.

Meine Freunde sind alle gesund aber finanziell sollte das Runterfahren des Lebens großen Schaden hinterlassen.

Ich fahre wieder mit dem gleichen Schiff zurück nach Makassar. Diesmal bleibe ich gleich auf dem obersten Deck. Es ist zwar eine unbequeme Tour von 35 Stunden ohne Bett aber die Gesundheit geht vor.

In Makassar muss ich dann direkt auf das Immigration-Office. Meine Visumverlängerung ist fertig. Hier werden nur noch Fotos und Fingerabdrücke von mir genommen. Das funktioniert noch aber dann habe ich kein Glück. Das ganze Computersystem stürzt ab und sie schaffen es nicht auf die Schnelle zu reparieren. Da mein Foto und die Fingerabdrücke noch nicht im System sind, bekomme ich heute nicht meinen Reisepass. Ich muss morgen wieder kommen.

Am nächsten Tag halte ich endlich meinen Pass mit Verlängerung in der Hand. Ich bin es nicht gewöhnt wochenlang ohne Pass zu reisen und fühle mich gleich wohler.

Zwei Tage später beschließt Indonesien, dass die Touristen im Land aufgrund der Corona-Situation keine Visaverlängerung mehr benötigen. Das gilt bis wieder Normalität im internationalen Reiseverkehr eintritt. Scheiße, da hätte ich eine Menge Geld gespart.

Ich hänge die nächsten Tage in Makassar ab und bin planlos. Der Corona-Wahnsinn hat mittlerweile Ausmaße in der Welt angenommen, und ich weiß nicht, wo ich hinreisen soll. Ich weiß nur ich werde in Indonesien bleiben.

Im Land scheint alles sehr chaotisch abzulaufen. Manche Regionen werden komplett von der Außenwelt abgeriegelt. Das betrifft vor allem Papua und viele der kleinen Inselwelten des Landes. Das waren anfangs meine favorisierten Optionen.

Ich telefoniere mit vielen Freunden in den verschiedensten Ecken des Landes und überlege – ja wohin???

In dieser planlosen Zeit lerne ich ein paar interessante Menschen in der Stadt kennen. Diese engagieren sich in einem Projekt namens KPJ.  Es erinnert mich an Alternative Kultur-Jugend-Zentren in Deutschland. Dieses Projekt gibt es in mehreren größeren Städten des Landes.

Inmitten eines kleinen schönen Parks im Zentrum der Millionenstadt steht da dieses Haus mit einem kleinen Cafe, großer Bühne für Musik, Kunst und viel Freiraum. Es ist ein idyllischer Ort mitten im Chaos der Stadt und ich verbringe viel Zeit mit den engagierten Leuten. Wir sitzen im Park bei guter Musik, unterhalten uns über Politik, Gesellschaft, Religion, Musik, die Welt und lassen uns gelegentlich ein paar Getränke schmecken.

Ich erfahre viel über das Projekt. Sie veranstalten regelmäßig Soli-Konzerte für benachteiligte Bevölkerungsschichten, Helfen den Menschen bei Naturkatastrophen, sind ökologisch engagiert, kümmern sich um Straßenkinder und…. Es ist ein Treffpunkt der für jeden offen steht. Hier sitzen alle zusammen und es ist nicht eine reine Männergesellschaft wie meist üblich im Land.

Sie nehmen mich auf Ausflüge mit und lerne andere Seite der Stadt kennen. Dabei lande ich an den verrücktesten Plätzen der Stadt.

Während dieser Zeit spielt Corona langsam eine größere Rolle. Die Menschen fangen an Masken zu tragen und innerhalb kürzester Zeit sind Desinfektionsmittel, medizinischer Alkohol und Masken in der ganzen Stadt ausverkauft. Die Strände werden alle geschlossen und in den Malls, Restaurants und Märkten wird Fieber gemessen bevor man diese betreten darf. Die Polizei fährt durch die Straßen und informiert die Bevölkerung über die Situation und zu treffende Vorsichtsmaßnahmen. Aber seltsamer Weise haben die Bars und Diskotheken noch längere Zeit geöffnet. Ja die Strände absperren aber Tanzveranstaltungen auf engstem Raum dürfen stattfinden-da spielt wo Geld die wichtigere Rolle.

Die Situation wird mir langsam zu unübersichtlich und ich muss damit rechnen, dass bald das ganze Leben im Land runtergefahren wird. Ich habe Angst das bald keine Flüge und Schiffe mehr im Land verkehren.

So lade ich mich bei meinem Freund Ingo und seiner Frau Lina auf Bali ein. Ich denke Bali ist wohl mit seinen vielen Touristen und Ausländern jetzt der beste Platz im Lande um mich für die nächsten Wochen niederzulassen.