Ich sollte mir die heißeste Zeit des Jahres für meine Iran-Reise aussuchen. Eigentlich nicht mein ursprünglicher Plan, aber es sollte zeitlich für mich dann am besten passen. Mit Hitze kann ich ja ganz gut umgehen. Immerhin war ich erst vor zwei Monaten in Zentralindien unterwegs und dort sollte gerade die heißeste Zeit sein. Da hatte ich mit 40 Grad aufwärts über Wochen zu kämpfen. Das Gute ist das wesentlich weniger Touristen zu solchen Zeiten unterwegs sind. So ist vieles ruhiger und auch günstiger. Man brauchte sich dann weniger Gedanken über Unterkünfte machen und konnte auch spontan überall einchecken.
Einen richtigen Reiseplan sollte ich erst mal nicht haben. Ich hatte ein paar Ideen im Kopf. Sicher hatte ich einen Flug nach Teheran gebucht und dann wollte ich schauen.
Ich sollte mitten in der Nacht am internationalen Flughafen Imam Khomeini in Teheran landen. Kurz vor der Landung wurde es sehr betriebsam im Flieger. Die meisten Passagiere, vorwiegend Iraner oder sollte ich Perser sagen, begannen sich entsprechend der Kleidungsvorschriften des Landes, anzukleiden. Vor allem die gerade noch sehr westlich gekleideten Frauen sollten sich sehr konservativ ankleiden. Ein Kopftuch, wie es normalerweise ausreicht, war für die meisten nicht genug, es musste der Tschador sein.
Auf dem Flughafen ging ich direkt zum Visumschalter. Ich füllte das Antragsformular aus, zahlte die Visum-Gebühr (75€) und dann hieß es für mich warten. Es gab wenige Touristen zu meiner Ankunftszeit. Die Anderen, die mit mir anstanden wurden alle sehr schnell abgefertigt. Ich wurde erst mal befragt. Warum besuche ich das Land und ist es mein erster Besuch im Iran? Auf meine Antwort, dass ich schon einmal durch den Iran gereist bin, folgte eine weitere kürzere Befragung und dann ließ man mich wieder warten. Zum Glück sollte gerade Fußball-WM sein und im Visa-Office lief im TV gerade ein unterhaltsames Spiel. So war mir nicht langweilig und die meisten Beamten beschäftigten sich auch mehr mit dem Fußballspiel. Nach ca. einer halben Stunde, das Spiel war auch gerade beendet, bekam ich dann meinen Pass mit dem Visum. Eigentlich wollen die Beamten, bevor sie ein Visum ausstellen, die Bescheinigung einer Auslandskrankenversicherung sehen. In dieser muss der Iran als Reiseland direkt erwähnt werden, weltweit reicht hier nicht aus. Die Welt ist wohl zu klein für den Iran. Ebenso braucht man eine sogenannte Reiseversicherung, ansonsten muss man diese am Flughafen kaufen. Was diese beinhaltet-keine Ahnung-ich hatte auf alle Fälle keine. Ich wurde kurz nach den Versicherungen gefragt und zeigte meine Auslandskrankenversicherung in der der Iran erwähnt war. Damit waren sie dann scheinbar zufrieden. Ich durfte meines Weges gehen.
Ich konnte es kaum glauben direkt am Flughafen und so einfach ein Visum zu bekommen. Das war doch vor über 20 Jahren so schwierig und zeitaufwändig.
Die eigentliche Einreise ging dann sehr schnell. Einreisestempel in den Pass, Gepäck abholen und schon stand ich in der Ankunftshalle des Flughafens. Es sollte keine Kontrolle des Gepäcks geben. Da musste ich mich fragen: Warum habe ich mir nicht eine Flasche Schnaps eingepackt? Die nächste Überraschung folgte auf der Stelle. Innerhalb von fünf Minuten bekam ich für ein paar Euros eine lokale Sim-Karte mit mehreren GB Internet und eine iranische Telefonflat. Diese war dann auch innerhalb von nur wenigen Minuten freigeschaltet. Dies kann in anderen Ländern viele Stunden bzw. Tage (Indien) dauern.
Ich bewegte mich dann zum Festpreis-Taxistand und im ersten Taxi sitzt dann eine Fahrerin. Ich staunte nicht schlecht. Sie bestand dann leider darauf, dass ihr Taxi ein Nichtraucherauto bleibt und meine Wahl fiel schnell auf das Zweite. Nach Stunden im Flieger ohne Zigarette sollte das No Smoking nichts für mich sein. Mein Fahrer war dann genau der Richtige für mich. Ein entspannter Kettenraucher, der mir gefühlt alle im Iran verfügbaren Zigaretten verkosten ließ. Ja der hatte unzählige verschiedene Zigarettensorten und am Ende wollte oder konnte ich nicht mehr rauchen. Nebenbei kochte er auch noch während der Fahrt in aller Ruhe Tee. Sein Englisch war gut und so bekam ich gleich eine kleine Einführung in Land und Leben und mir wurden Löcher in den Bauch gefragt. Hier bekam ich einen ersten Eindruck vom großen Interesse am kulturellen Austausch und der damit verbundenen unglaublichen Gastfreundschaft. Es war ein sehr relaxtes Ankommen im Land. Natürlich war es mitten in der Nacht und so fanden wir nur leergefegte Straßen vor uns. Da hatte ich vor Jahren ganz andere Erfahrungen mit den Taxis und dem Verkehr in Teheran erlebt. Wildes Verkehrschaos, überfüllte und enge Straßen, verrückte Fahrer, die alle gefahren sind wie sie wollten, Regeln existierten nicht, einfach der pure Stress. Ich werde nie meine vielleicht wildeste Taxifahrt vergessen. Wir hatten Zeitdruck und mussten einen Bus bekommen. Darauf gab es keine Regeln und kein Halten für unseren Fahrer. Wahrscheinlich wollte er uns mit seinen waghalsigen Manövern beeindrucken. Wir sollten einfach nur schwitzen und froh sein den Busbahnhof ohne Unfall zu erreichen.
In meinem Hostel (Tehran Heritage Hostel) angekommen, wurde ich erneut überrascht. Zum einen, das die Frauen an der Rezeption mir mit Kopftuch die Tür auf machten-normal, aber sobald die Tür geschlossen war, diese absetzen. Dies sollte ich während meiner Zeit fast überall erleben. Sobald man die Tür hinter sich schließt, wird ein anderes Leben gelebt. Ich hatte ein Bett im Schlafsaal gebucht und hier gibt es dann keine Geschlechtertrennung! Was kommt da noch in diesem Land. Das hätte ich alles so nicht erwartet. Schön, ein guter Start.
Auf die Großstadt Teheran hatte ich eigentlich keine Lust. Aber zwei Tage sollten es am Ende zum Einstieg werden.
Teheran ist eine recht junge Stadt und erst im 18. Jahrhundert vom Dorf zur Stadt geworden. Das ging aber dann sehr schnell und ungeplant. Mittlerweile leben im Stadtgebiet ca. 9 Millionen Menschen und in der Teheran-Region fast 20 Millionen. Die Stadt hat erheblich Höhenunterschiede aufzuweisen. Im Süden grenzt sie an die Große Salzwüste und liegt ca. 900 Meter über dem Meeresspiegel und steigt auf etwa 1700 Meter im Norden am Rande des Elburs-Gebirges.
Aufgrund der Größe und der Höhenunterschiede war ich froh das Teheran ein mittlerweile doch gut ausgebautes U-Bahnnetz besitzt. So konnte ich meine Wege mit der U-Bahn oder zu Fuß bewältigen. Ich wohnte Im Süden der Stadt, bis Mitte des 20 Jahrhunderts das Stadtzentrum, in der Nähe von vielen Sehenswürdigkeiten. Eine U-Bahnstation hatte ich vor meiner Haustür. Bei meinen Wanderungen durch die Stadt musste ich feststellen, dass der Verkehr doch immer noch recht chaotisch ist. Fußgängerwege aber auch gelegentlich die Märkte sind scheinbar die Highways der Motoräder, die Straßen sind verstopft und die Größe des Fahrzeuges oder der Hupe entscheidet über die Vorfahrt. Aber trotzdem bewegt sich alles noch im gesunden Rahmen. Viel schlimmer fand ich die Luft in der Stadt, ob durch die vielen alten Fahrzeuge und deren schlechtes Benzin, die Industrie oder auch der großen Hitze während meines Besuches. Die Luftverschmutzung kann sich auf alle Fälle mit anderen Metropolen der Welt messen. Trotzdem sollte es eine schöne und interessante Stadt sein. Unzählige schöne Moscheen prägen das Stadtbild, es gibt viele Museen und historische Bauwerke.
An meinem ersten Tag ließ ich mich einfach treiben. Ich ging zu Fuß durch meine Wohngegend und sollte nebenbei ein paar der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt entdecken. Der Golestanpalast, einst Sitz des Schahs, ist wunderschön und heute ein Museum. Die Anlage umfasst mehrere großartige Bauwerke rund um einen Garten.Gleich in der Nähe befindet sich der sehenswerte Große Basar. Er soll der weltweit größte überdachte Basar sein und seine zahlreichen Gänge erreichen eine Länge von zehn Kilometern. Es ist fantastisch durch das verwinkelte Labyrinth zu streifen aber man kann auch schnell die Orientierung verlieren. Die einzelnen Korridore sind auf die unterschiedlichsten Waren spezialisiert. Die Auswahl an Waren ist riesig. Sie reicht von Bekleidung, Stoffen und Teppichen über Antiquitäten, Kunsthandwerk zu Kupfer-Keramikarbeiten und Schmuck bis zu Lebensmitteln, Süßwaren, getrocknete Früchten, Nüssen und exotischen Gewürzen. Jegliche Arten von Haushaltswaren sind erhältlich und die Einheimischen ziehen durch die langen Korridore auf der Suche nach allem. Viele verschiedene Handwerke sind hier vertreten und man kann den Handwerkern bei der Arbeit zuschauen. Innerhalb des Basars gibt es Moscheen, Banken, eine Feuerwache, kleine Imbisse, Cafés und Teehäuser. Hier auf dem Grand Basar in Teheran ist auch die wunderschöne Imam Khomeini Moschee zu finden.
Die Basare im Iran generell wirken auf mich sehr sauber und geordnet und die Atmosphäre ist großartig. Gelegentlich wird man auf eine offene, freundliche Art angesprochen aber niemand ist aufdringlich und will mir etwas aufschwatzen und die Preise sind korrekt. Ja ich sollte die Basare im Iran lieben lernen. Auch wenn man nichts kaufen will, ist es ein Erlebnis sich durch die Basare treiben zu lassen. Es ist wie ein wunderschöner Kinobesuch. Die Vielfalt der Waren, das schöne Ambiente, das Leben, das Handeln und natürlich die vielen Menschen, die man hier kennenlernt.
In Teheran sollte ich die ersten Erfahrungen mit der unbeschreiblichen Gastfreundschaft der Menschen machen. Die Bevölkerung ist generell sehr jung im Iran und sehr interessiert am kulturellen Austausch. Dies führt zu vielen herzlichen Begegnungen. Man muss nur offen sein und Zeit mitbringen und schon kommt man ins Gespräch und das findet schwer dein Ende. Schnell wird man dann zum Tee eingeladen und kleine Snacks folgen. Bevor dann die Einladung nach Hause folgt.
Ich bin eher ein Teetrinker und dachte ich trinke viel Tee. Nach dem Iran muss ich sagen, ich habe noch nie so viel Tee getrunken wie dort. Die Unmengen von Tee, die die Menschen im Iran trinken waren für mich unvorstellbar. Gefühlt geht auch keiner aus dem Haus ohne Tee oder wenigstens heißen Wasser und Tee einzupacken. Wie schon in meinem Taxi vom Flughafen, sollte es auch in den Überlandbussen eigentlich immer Tee bzw. heißes Wasser geben. Manchmal wurde dann der Tee für mich zu viel und die Alternative waren die leckeren Fruchtsäfte, die man in den Städten an jeder Ecke bekam. Ansonsten war ich von den iranischen Ayran-Getränken angetan. Manchmal oder auch öfter vermisste ich ein kühles Bier-die alkoholfreien Biere und Malzbiere waren eher nicht mein Ding.
Das Essen im Iran ist wesentlich vielfältiger als ich es auf meiner ersten Reise erlebt habe. Damals hatte ich das Gefühl es gibt nur Kebab mit Reis oder Brot. Ich erinnere mich, das der Freund mit dem ich reiste Vegetarier war und eigentlich nur Reis und Brot zu sich genommen hatte. Diesmal hatte ich Zeit die persische Küche zu entdecken und lernte sie lieben. Auf alle Fälle ist das Nationalgericht Kabab, wenn man es so nennen kann, lecker. Das allein gibt es schon in den verschiedensten Variationen. Ich sollte die Grillspezialitäten ebenso wie die Eintöpfe, die verschiedensten Reisgerichte und die Brote lieben. An jeder Straßenecke bekommt man Kebab oder Falafel. Ob gefüllte Auberginen oder leckere Gemüse-oder Joghurt-Dips, die Pickles, der Käse, das Brot oder die vielen Früchte-es sollte vielfältig sein. Es wird viel mit Nüssen und Früchten gekocht und eines meiner Lieblingsgerichte wurde Fesendjan. Ein Fleischgericht in einer dunklen Soße mit Wallnüssen, Granatapfel und den verschiedensten Gewürzen. Für meinen Geschmack war mir das Essen leider oft zu mild-ich habe mir es oft ein wenig feuriger gewünscht.
Während meiner Reise sollte gerade die Fußball-WM in Russland stattfinden. Das Schöne: Der Iran war auch dabei. Eine große Fußball-Euphorie herrschte im ganzen Land. In jedem kleinen Shop, Imbiss oder Restaurant lief der Fernseher. An meinem ersten Abend in Teheran sollte dann der Iran gegen Spanien spielen. Da waren große Teile der Stadt im Ausnahmezustand.
Obwohl Stadionbesuche für Frauen ursprünglich verboten sind, wurde es kurz vor Beginn dieses Spiels erlaubt. Noch beim ersten Gruppenspiel des Iran, ein paar Tage vorher, gab es kein großes Public Viewing. Nach langen Protesten wurde das Azadi-Stadium für beide Geschlechter geöffnet. Es sollte das erste Mal nach 37 Jahren sein, das Frauen und Männer im Iran gemeinsam ein Spiel verfolgten, wenn auch nur auf Leinwand. Ich hatte leider zu spät davon erfahren und somit das größte Public Viewing des Landes verpasst. Überall auf den Straßen bzw. in Restaurants und Shops versammelten sich die Menschen vor den TVs und ich gesellte mich dazu. Die Menschen waren in den Nationalfarben bekleidet, trugen Nationaltrikots und schwenkten Fahnen. Es war eine ausgelassene Stimmung und keiner hielt sich an die Regeln des öffentlichen Lebens. Vor allem viele Frauen waren überall zu sehen. Es wurde mitgefiebert, man sprang, tanzte und umarmte sich nach den wenigen guten Spielzügen. Die Kopftücher blieben nicht da wo sie sein sollen und bedeckten am Ende höchstens noch die Schultern. Das Spiel an sich war schlecht und Spanien sollte knapp mit 1:0 gewinnen aber die Menschen waren stolz auf ihr Team. Ich erlebte das Spektakel in einem Restaurant und konnte nur staunen. Was für ein erster Tag im Iran.
Obwohl Teheran viele sehenswerte Museen und andere Sehenswürdigkeiten besitzt, hatte ich keine große Lust auf Touristen-Touren. Das einzige „Museum“ was mich wirklich interessierte war die ehemalige US-Botschaft. Sie ist 1979 zum Schauplatz der Weltgeschichte geworden. Ein paar hundert Studenten stürmten damals die Botschaft und nahmen die Diplomaten für 444 Tage als Geiseln um die Auslieferung des geflohenen Schahs zu erpressen. Daraufhin wurden die diplomatischen Beziehungen abgebrochen und es kam zu Wirtschaftssanktionen bis in die heutige Zeit. Hier werden die Geschichten der internationalen Machtpolitik erzählt. Es geht um Feindbilder und der Unversöhnlichkeit. Sobald ich mich der Gegend nähere, fällt mir die antiamerikanische Straßenkunst ins Auge. Die Wände rund um das Gelände sind mit antiamerikanischen und pro-revolutionären Kunstwerken und Slogans bemalt. Ich habe gerade die U-Bahn verlassen, da kann ich den Slogan „Down with USA“ lesen. Wenige Meter weiter grüßt mich die Freiheitsstatue mit einer Monsterfratze. In der näheren Umgebung sehe ich ein riesiges Wandgemälde mit der“ leicht“ abgewandelten amerikanischen Flagge. Anstelle der Sterne gibt es Totenköpfe zu sehen und Bomben zieren die eigentlichen Streifen.
Die ehemalige Botschaft wurde von den iranischen Führern in ein Museum verwandelt. Ausgestellt wird „die imperialistische Natur des großen Satans“. Sobald man die Botschaft betritt wird man mit einem großen antiamerikanischen und antisemitischen Wandgemälde im Treppenaufgang konfrontiert. Viel Hass geht von den Bildern aus. Ansonsten scheint nicht viel verändert zu sein in der „Botschaft“. Das Inventar spricht Bände. Man fühlt sich eher in einer Spionageeinrichtung als in einer diplomatischen Vertretung. Hier wurde der Nahe Osten manipuliert. Der Staatsstreich gegen den iranischen Premierminister Mossadegh wurde hier von der CIA vorbereitet. Ich fühle mich wie in einer Geheimdienstzentrale. Stahltüren mit Augenscannern, analoge und frühe digitale Abhöranlagen, Technik zum Fälschen von Pässen, eine Art Atombunker und… .
Nach dem interessanten aber auch erdrückenden Besuch des Spionage-Museums brauchte ich eine Abwechslung und fuhr zur Tabiat-Brücke im Norden der Stadt. Ein schöne Fußgängerbrücke die zwei Parks miteinander verbindet. Eine junge Architektin hat die interessante Brückenkonstruktion entworfen und diese sollte nicht einfach nur zum Überqueren dienen. Sie hat drei Ebenen, eine davon ist eine Aussichtsplattform mit tollem Ausblick auf die Stadt und das nahe Elburs-Gebirge. Sitzgelegenheiten und Cafés laden zum Verweilen ein. Es ist eher ein Treffpunkt, eine Begegnungsstätte. Dazu sind die Parks ein beliebtes Ausflugsziel der Einheimischen. Die Stadt scheint weit weg, es ist eine ruhige grüne Oase mittendrin. Hier sehe ich, für uns Normalität, händchenhaltende Paare, Frauen, die Kampfsport betreiben und in einer Ecke des Parks treffen sich Straßenmusiker-und-innen, alles nicht so alltäglich in der iranischen Öffentlichkeit. Ich mache tolle Bekanntschaften und ich sage am Abend zu Teheran: Bye-bye
Meine Reise führte mich von Teheran nach Shiraz, das kulturelle Zentrum des Landes.
Ich wollte mit einem Nachtbus nach Shiraz fahren und machte mich am späten Abend mit der U-Bahn auf den Weg zum Busterminal. Ich konnte mir hier vor Ort ein Ticket kaufen und schon ging es los. Ich sollte von den mehr als nur komfortablen Bussen überrascht sein. Ich konnte kaum glauben wie viel Beinfreiheit ich hatte. Meine Beine konnte ich komplett ausstrecken, mehr oder weniger lag ich im Bus. Insgesamt hatte der große Reisebus auch nur 21 Sitze. Unzählige Busfahrten in so vielen Ländern liegen hinter mir, aber selten habe ich mich so wohl gefühlt wie in den iranischen Reisebussen. Es war schon ein sogenannter VIP-Bus aber die vielleicht zwei Euro mehr war der Bus auch wert. Ab dem Zeitpunkt sollte ich auf den großen Strecken nur noch in den VIP-Bussen fahren.
Am Vormittag erreichte ich Shiraz, die Stadt der Rosen und Nachtigallen wie sie genannt wird. Sie ist gleichzeitig die Stadt der großen Poeten und des Weins. Die fünftgrößte Stadt des Landes liegt im Zagrosgebirge auf 1500 Metern Höhe. Aufgrund des guten Klimas ist sie für seine Pflanzen und die wunderschönen Gärten bekannt und wird auch der Garten Irans genannt. Die Bewohner sind stolz auf ihre Stadt, die als Herz Persiens gilt. Erste Hinweise auf die Stadt stammen von vor über 4000 Jahren.
Das Zentrum des alten Persiens begrüßt mich freundlich. Ich hatte mir ein paar Adressen von Hostels ausgesucht und schon im ersten fühle ich mich herzlich willkommen. So verbringe ich ein paar schöne Tage in der Stadt, die viel zu bieten hat.
Das Stadtzentrum von Shiraz wird dominiert von der großen Festung Arg-e Karim Khan. Die großen Mauern und hohen Wachtürme, die mit schönen Ornamenten verziert sind, verleihen der Festung riesige Ausmaße. Innerhalb der Festung gibt es nicht so viel zu sehen, das Highlight ist ein schönes Badehaus. Schöne Muster, Pflanzenabbildungen schmücken hier die Wände.
In der Nähe der Festung beginnt das alte Basarviertel. Hier gibt es gleich mehrere Märkte, die scheinbar ineinander übergehen und dies und deren Größe und Warenangebot sollte mich mehrfach verwirren. Ich sollte öfter ein wenig die Orientierung verlieren aber dabei entdeckt man wieder etwas Neues. Der größte und bekannteste ist der Vakil Basar. Dieser Markt ist ein wahres Schmuckstück persischer Baukunst. Kunstvolle Kuppeldächer, Gewölbe, breite Gänge, kleine Nischen, Innenhöfe, Cafés und hunderte kleine und große Geschäfte. Unzählige Menschen bewegen sich hier scheinbar ununterbrochen, und ich lasse mich von den Menschenströmen treiben. Der Duft der Gewürze, das Stimmengewirr, das Lächeln der Menschen es ist faszinierend. Es wird geschaut, probiert, gehandelt und am Ende freuen sich Händler und Käufer. Hier kann man alles kaufen oder einfach nur das Warenangebot bestaunen und den Trubel genießen. Hier kam ich das erste Mal mit den köstlichen Süßigkeiten des Landes in Berührung und diese sollte mich nicht wieder loslassen.
Bei einer meiner ziellosen Basarwanderungen entdecke ich einen mir neuen Ausgang und stehe vor der wunderschönen Vakil-Moschee, die sich über dem Basar erhebt. Das eindrucksvolle Eingangsportal ist mit bunten Fliesen voller Blumenmotive versehen und gehört zu den schönsten der Stadt. Um den großen Innenhof mit Wasserbecken reihen sich schön verzierte Arkaden. Besonders beeindruckend ist die große Gebetshalle mit ihren 48 gewundenen Säulen und den bunten Mosaiken ihrer Kuppeln. Wunderschöne Blumenmotive sind überall zu sehen. Gleich in der Nähe der Moschee liegt das Vakil-Badehaus, welches heute ein Museum ist.
Während meiner Spaziergänge lerne ich viele Menschen kennen, die mir von Herzen ihre Stadt zeigen wollen. So führte mich mein Weg mit neuen Freunden zum Mausoleum des „Königs des Lichts“. Das Shah-Cheragh-Heiligtum ist der drittheiligste Schrein der Schiiten im Iran. Jeden Tag pilgern unzählige Menschen zu dem Schrein. Ich bin überrascht, dass mir als Nicht-Muslim Eintritt gewährt wird. Es finden am Eingang Sicherheitskontrollen statt und Rucksäcke, große Kameras und ähnliches müssen abgegeben werden. Ich habe im Nachhinein gelesen, dass Touristen nur mit einem offiziellen Guide das Heiligtum betreten kann. Da ich mit zwei Einheimischen unterwegs bin, scheint das okay zu sein. Im Innenhof versammeln sich viele Pilger. Ich beobachte das Treiben und bewundere die Schönheit dieser Grabmäler. Blau-türkisfarbenen Fliesen bilden wunderschöne Mosaike, schwere Kronleuchter, Koranverse zwischen Blumenmotiven und die golden glänzenden Kuppeln des Baus. Das Innere der Schreine ist dann wirklich überwältigend. Die Innenräume sind komplett mit prächtigen Spiegelmosaiken verziert, schwere Teppiche liegen aus, die Menschen beten, sie stehen andächtig vor dem Grabmal. Ich bin geblendet von der Schönheit und den Spiegeln.
Eine weitere wunderschöne Moschee ist die Nasir al Molk auch die „Pinke Moschee“ genannt. Ihre rosa und roten Farbtöne gaben ihr den Namen.
Shiraz ist das poetische Zentrum des Landes. Hier sind mit Hafis und Saadi die beiden berühmtesten Dichter des Landes begraben. Vor allem Hafis wird im ganzen Land verehrt. Es gibt ein Sprichwort das besagt: In jedem Haus gibt es mindestens zwei Bücher, der Koran und eine Sammlung der Werke von Hafis. Er dichtete über die Liebe, die Schönheit, den Wein, den Genuss des Lebens. Mit seinem ins Deutsche übersetzten „Der Diwan“ inspirierte er Goethe zu dessen „West-östlicher Divan“. Goethe bezeichnete Hafis als „Zwillingsbruder im Geiste“. Das Grabmal von Hafis ist eine regelrechte Pilgerstätte. Viele Liebespaare, ob heimliche oder verheiratete, pilgern zum Sarkophag und schwören sich ewige Liebe. Die Besucher halten ehrfürchtig inne, legen Blumen nieder und rezitieren aus dem Werk des Poeten. Der Pavillon mit dem Sarkophag liegt in einer schönen Gartenanlage. Auf dem Grabmal ist ein Gedicht von Hafis verewigt. Die Atmosphäre ist großartig, ein ruhige grüne Insel in der Stadt. Ich hatte schon vorher von Hafis gehört aber eigentlich hatte ich keine Ahnung von seinen Gedichten. Nachdem ich eine deutsche Übersetzung seiner Werke hier in der Hand hielt, war klar ich muss ein Buch kaufen. Großartig.
Iran und Wein? 5000 Jahre vor Christus soll auf dem heutigen iranischen Gebiet schon Wein getrunken wurden sein. Shiraz war über Jahrhunderte berühmt für seine Weine, die besten Weine des Nahen Ostens kamen von hier. Auch nach der Ankunft des Islam wurde hier viel produziert und persische Nationalikonen wie der Poet Hafis huldigten dem Wein. Ich wollte auch Wein trinken. Im Laufe meiner Tage in Shiraz sollte ich dann guten Wein bekommen. Mein Persepolis-Taxifahrer kommt aus dem ländlichen Raum um Shiraz. Nach kurzer Unterhaltung weiß er was ich brauche. In dieser Gegend wird immer noch viel Wein angebaut aber offiziell nur für Rosinen und scheinbar für den Export. Da wo Wein angebaut wird, da bekommt man dann Wein. Innerhalb kurzer Zeit bekam ich dann eine große Plastikflasche mit gutem Rotwein gefüllt. So habe ich einfacher als erwartet meinen privaten Weinlieferanten gefunden. Es war klar, dass ich vor meiner Abreise mich eindecken sollte.
Während meiner Zeit in Shiraz sollte die Fußball-WM weiter laufen und das letzte Gruppenspiel der Iraner gegen Portugal stand auf dem Programm. Diesmal war ich besser vorbereitet. Ich erkundigte mich frühzeitig über mögliche Public Viewing Plätze und sollte einen Tipp bekommen. Es wurde nix offiziell verkündet aber mir wurde ein Park empfohlen. Am Rande des Parks versammelten sich ein paar hundert Menschen und es sollte ein echtes Erlebnis für mich werden. Das Spiel war zäh und die Mittel der Iraner limitiert aber darum ging es nicht. Es ging um das gemeinschaftliche Erleben und die Euphorie mit der die Menschen ihr Team angefeuert haben. Jeder gewonnene Zweikampf, jeder angekommene Pass und jeder erkämpfte Ball wurde wild bejubelt. Die Menschen ob Mann oder Frau sprangen wild herum, tanzten, fielen sich in die Arme-ja wildfremde Menschen unterschiedlichsten Geschlechtes taten dies-ja verboten im Land. Keiner stört sich an den verloren gegangenen Kopftüchern. Als der Iran kurz vor Schluss den Ausgleich schoss, erreichte das Ganze seinen Höhepunkt. Es sollte am Ende nicht reichen zum Weiterkommen aber es war ein tolles Erlebnis für mich.
Etwa 50 Kilometer von Shiraz entfernt schlug das Herz des antiken Perserreiches. Persepolis, der Traum des persischen Königs Darius, zählt zu den bedeutendsten und ältesten Überbleibseln des alten Persischen Reiches. Vor circa 2500 Jahren errichtet sollte die Hauptstadt nur knapp 200 Jahre Bestand haben, bevor Alexander der Große die Schätze raubte und alles in Schutt und Asche legen sollte. Seit 1979 gehört Persepolis, die Stadt der Perser, zum UNESCO-Weltkulturerbe. Von der einstigen prachtvollen Residenz sind nur noch Ruinen erhalten geblieben.
Ich organisierte mir ein privates Taxi im Hostel für einen Ausflug nach Persepolis und die nahegelegenen Felsgräber von Naqsh-e Rostam. Zuerst ging es zu den vier Königsgräber, die hier an einer steilen Felswand in einer beeindruckenden Landschaft in den Fels gehauen worden. Die prachtvollen Gräber mit den sehr interessanten Felsreliefs sollten sich lohnen.
Anschließend ging es in die wenige Kilometer entfernte ehemalige Königsstadt. Sie ist auf einer riesigen Terrasse errichtet worden. Persepolis betrete ich durch das immer noch prachtvoll wirkende Tor aller Länder. Persien war zu der Zeit ein Vielvölkerstaat. Das Tor sollte ein Symbol der Toleranz sein. Die Tore werden von Wächterfiguren geschmückt. Die Mauerreste und Säulen lassen die ehemalige Schönheit erahnen. Die Höhepunkte von Persepolis sind die drei Paläste auf dem Ruinenfeld. Kunstvolle Reliefs zieren die Fundamente und Mauerresten. Große Statuen, Tür-und Fensterrahmen sind zu sehen und Säulen ragen in den Himmel. Auch wenn Alexander der Große ganze Arbeit bei der Zerstörung geleistet hat, bekommt man eine Vorstellung von der einstigen Schönheit und Größe von Persepolis. Oberhalb der Ruinenstadt liegen zwei große Königsgräber, die ähnlich der Grabstätten in Naqsh-e Rostam in die Felswände gehauen worden. Auch diese werden von prächtigen Reliefs geschmückt. Von hier oben hat man einen herrlichen Blick auf die gesamte Anlage. Viele Iraner besuchen heute die antike Stätte und entdecken ihre Geschichte neu. Persepolis und die persische Kultur gehören zu ihnen ebenso wie der Islam.
Fortsetzung folgt